Formate
SIJELO neu denken: Eine feministische Zusammenkunft
SIJELO (ausgesprochen see-yeh-lo) ist ein serbokroatischer Begriff für eine traditionelle ländliche Zusammenkunft, in der Arbeit und soziales Leben miteinander verflochten waren. Diese Treffen fanden früher in Privathaushalten im ehemaligen Jugoslawien statt. Menschen – insbesondere Frauen – kamen zusammen, um zu spinnen, zu sticken, zu stricken, Mais auszukernen, Federn zu reinigen und zugleich Geschichten, Lieder und handwerkliche Fähigkeiten über Generationen hinweg weiterzugeben. Es waren Räume des Wissensaustauschs, der sozialen Verbindung und der gemeinsamen Arbeit.
Auch heute lebt der Begriff in der Balkan-Diaspora in Deutschland weiter, oft in Form von „Sijela za žene“ – Frauen-Sijelos –, die in Clubs stattfinden und Pop- und Volksmusik aus der Region in den Mittelpunkt stellen.
Bei der Tanznacht 2025 greifen wir Sijelo als lebendige feministische Praxis auf. In unserer feministischen Bibliothek finden täglich Workshops statt, die wir als Sijelos rahmen – als Orte des kollektiven Tuns, des Erzählens und des Lernens. Es geht nicht um Nostalgie, sondern um die Aktivierung eines Raums für Solidarität, Fürsorge und feministische Arbeit in all ihren Formen: vom Reparieren und Heilen bis hin zu Aktivismus und Sexarbeit.
SIJELO ist eine Einladung, zusammenzukommen, zu erinnern und neu zu imaginieren.
Gegenworte: Schriftstellerische Interventionen in der MONAliesA Bibliothek
In dieser situativen Intervention treten die in Berlin lebenden Schriftstellerinnen Ivana Sajko und Mima Simić in einen live geführten, ortsspezifischen Dialog mit einer kuratierten Auswahl aus der MONAliesa Bibliothek – einer Sammlung, die über Jahrzehnte durch feministisches Publizieren und Denken geprägt wurde.
Obwohl keine der eingeladenen Autorinnen auf Deutsch schreibt, ist ihre Präsenz bei der Tanznacht 2025 kein Akt der Inklusion um der Diversität willen. Stattdessen markiert sie eine bewusste Intervention: eine Erweiterung des epistemischen Feldes durch Stimmen, die durch Übersetzung, Migration, feministischen Widerstand und künstlerisches Überleben geprägt sind. Sie nähern sich Literatur und Sprache aus der Position derer, die sich zwischen Welten, zwischen Sprachen bewegen – die nicht ‚auf Deutsch schreiben‘, sondern innerhalb und neben ihr leben und schaffen. Anstatt lediglich auf das zu reagieren, was bereits im MONAliesA-Korpus eingeschrieben ist, werden die Schriftstellerinnen diesen erweitern: Sie verweisen auf fehlende Narrative, verkörperte Erfahrungen und migrantisch-feministische Genealogien, die im institutionellen Gedächtnis selten Raum finden.
‚Gegenworte‘ schafft einen Raum für die kritische Auseinandersetzung damit, was es bedeutet, vom Rand einer dominanten Sprache aus zu lesen und zu schreiben. Es denkt neu darüber nach, wie feministisches Wissen konstruiert, vermittelt und transformiert wird – nicht durch Assimilation, sondern durch vielschichtige Präsenz und polyfone Ergänzung.